2 Stand der Erkenntnisse
Thema dieser Arbeit ist die Beurteilung der geometrischen Eigenschaften
von Blechoberflächen und deren Einfluß auf die Reibung während
der Umformung.
Mit Bild 2 wird zunächst die Abgrenzung zu benachbarten Forschungsgebieten
dargestellt. Die mittlere Spalte enthält die im Rahmen dieser Arbeit
behandelten Themen von der Auswirkung der geometrischen Eigenschaften auf
die tribologischen Systemeigenschaften bis zur Reibung während der
Umformung. In der linken Spalte sind Gebiete angegeben, deren Kenntnis
vor der Beurteilung der Topografie erforderlich ist. Die rechte Spalte
enthält die Gebiete neben der Reibung, auf die sich die Topografie
zusätzlich auswirkt. Bei der Beurteilung von Topografien sind diese
Gebiete zu berücksichtigen, da sie zusätzliche und zum Teil gegensätzliche
Anforderungen an die Eigenschaften der Topografie stellen.
In Bild 2 sind die Gebiete in 8 Gruppen eingeteilt und numeriert, um
sie im folgenden kurz zu beschreiben. Weiterführende Literatur ist
im Bild angegeben.
Bild 2: Abgrenzung zu benachbarten Forschungsthemen
-
Ein an das Thema dieser Arbeit angrenzendes Gebiet betrifft die Herstellung
der Bleche [9-23]. Die Kenntnis der Herstellungsverfahren ist Voraussetzung
für die Beurteilung der Blechoberfläche. Eine Vielzahl
von Arbeiten beschäftigt sich mit den Verfahren zur Erzeugung der
Struktur der Walzen und andere mit dem Walzprozeß [24-, 25, 26] sowie
dem Übertragungsverhalten der Topografie von der Walze auf das Blech
[27-29]. Es liegen keine neueren Literaturstellen vor, in denen die aktuellen
Verfahren verglichen werden, weshalb Kapitel 2.1 eine Gegenüberstellung
der aktuellen Dressierverfahren enthält.
-
Es ist bekannt, daß tribologische Eigenschaften nicht anhand eines
einzelnen Elementes des tribologischen Systems beurteilt werden können,
da tribologische Eigenschaften Systemeigenschaften sind, bei denen Grundkörper,
Gegenkörper, Schmierstoff und Umgebungsmedium in Wechselwirkung stehen
[30, 31]. Zur Beurteilung des tribologischen Verhaltens der Blech-Topografien
müssen gleichzeitig Blechoberfläche, Werkzeugoberfläche
[32-38], Schmierung [39-41] und Umgebung [42] berücksichtigt werden.
Die Beurteilung unterschiedlicher Topografien mit einem Schmier- und Werkzeugwerkstoff
ist nicht in jedem Fall auch für andere Schmier- und Werkzeugwerkstoffe
gültig.
-
Zusammen mit der tribologischen Systemstruktur bildet das Beanspruchungskollektiv
das tribologische System (DIN 50320). Um die tribologischen Mechanismen
des Realprozesses korrekt abzubilden, ist die Kenntnis der tribologischen
Beanspruchung in realen Bauteilen erforderlich.
-
Auf die Verfahrensgrenzen der Blechumformung hat die Reibung einen deutlichen
Einfluß, gleiches gilt aber auch für Werkzeugkonstruktion
[43-, 44, 45], Umformverfahren [1-, 2, 3, 46, 73] und Prozeßparameter
wie Niederhalterkräfte und Hubzahlen [8, 47]. Für die Entscheidung,
ob der Aufwand zur Optimierung der Topografie gerechtfertigt ist, müssen
auch die Möglichkeiten dieser Gebiete berücksichtigt werden.
-
Mit der Topografie werden im Rahmen dieser Arbeit nur die geometrischen
Eigenschaften der Blechoberfläche untersucht. Weitere Arbeiten behandeln
die chemischen und mechanischen Oberflächeneigenschaften, die ebenfalls
die tribologischen Mechanismen und damit die Reibung beeinflussen [48-60].
-
Das tribologische Verhalten des Bleches zu verbessern ist nur ein Ziel,
das mit der Aufbringung der Topografie erreicht werden soll. Die in der
Tandemstraße erzeugte Topografie muß während des anschließenden
Glühens des zum Coil aufgewickelten Bleches sicherstellen, daß
die aufeinanderliegenden Oberflächen nicht verkleben [13]. Nach dem
Glühen wird im Dressierstich eine weitere Dickenreduktion vorgenommen,
um zum einen die gewünschte Topografie zu erzeugen, und zum anderen
um die durch das Glühen entstandene Streckgrenzenüberhöhung
rückgängig zu machen. Weitere Kriterien sind die Lackierbarkeit,
Haftung von Klebern und die Schweißbarkeit des Bauteils, die ebenfalls
von den geometrischen Eigenschaften der Blechoberfläche beeinflußt
werden [9, 48, 61-64].
-
Neben der Reibung bestimmt die Topografie auch den Verschleiß [65].
Der Schwerpunkt der Verschleißuntersuchungen in der Blechumformung
lag bisher auf der Seite der Werkzeuge [34, 66-69]. Durch den steigenden
Anteil verzinkter Bleche werden aber auch zunehmend Untersuchungen des
Abriebs von Blechoberflächen durchgeführt [70-74]. Der Einfluß
der Topografie auf den Verschleiß von Werkzeug und Blech ist nicht
Inhalt dieser Arbeit.
-
Neben den durch die Reibung beeinflußten Verfahrensgrenzen sind weitere
Kriterien zur Beurteilung der Topografie anwendbar. Für eine hohe
Auslastung der Umformsysteme wird eine hohe Prozeßsicherheit gefordert.
Die Topografie muß trotz kleinerer Schwankungen in den Prozeßbedingungen
eine konstant hohe Bauteilqualität sicherstellen. Eine Topografie,
die wenig Schmierstoff benötigt, ist aus ökonomischen und ökologischen
Gründen günstiger zu beurteilen als eine, die bei gleichen tribologischen
Leistungen mehr Schmierstoff aufnimmt [75-79].
Diese Darstellung verdeutlicht, daß es sich beim Einfluß der
Topografie auf die Reibung um ein sehr begrenztes Teilgebiet der Blechumformung
handelt, und daß bei der Entwicklung von Topografien komplexe Randbedingungen
zu berücksichtigen sind. Wie Erfahrungen aus Preßwerken zeigen,
hat die Topografie einen entscheidenden Einfluß auf die Prozeßsicherheit
und das Umformergebnis. Bereits prozeßbedingte Schwankungen in der
Qualität der Topografie können zum Versagen des Bauteils und
zu Pressenstillständen führen.
Um die Blechtopografien beurteilen zu können, werden in den folgenden
Kapiteln die Herstellung (Kapitel 2.1), tribologische Modellprüfmethoden
(Kapitel 2.2) und die Methoden zur Vermessung der Blechoberflächen
(Kapitel 2.5) beschrieben.