Bowden und Tabor gehen von einem Ansatz aus, bei dem die Kontaktfläche
linear mit der Kontaktnormalspannung ansteigt [182] (junction growth equation).
Kragelski [139] erweitert dieses Modell, und weiterführende Ansätze
berücksichtigen Hertz´sche Spannungszustände bei der Berührung
einzelner Rauheitserhebungen [140] sowie elastisch-plastisches Werkstoffverhalten.
Archad [141] zeigt, daß nicht nur die wahre Kontaktfläche die
Reibung beeinflußt, sondern auch Verteilung und Größe
der Kontaktstellen. Greenwood und Williamson untersuchen die Anzahl der
Mikrokontakte und entwickeln ein Modell zur Beurteilung der Anteile von
elastisch und plastisch deformierten Kontaktstellen [142].
Die grundlegenden Zusammenhänge zwischen der Verformungsgeschichte
und deren Auswirkungen auf die Bauteiloberflächen wurden von Kienzle
und Mietzner in ihrem Oberflächenatlas dokumentiert. Zur Untersuchung
der freien Oberflächenwandlung [143] schlagen sie die Rauhleiter vor,
eine Zugprobe mit kurviger Seitenbegrenzung, die es ermöglicht, die
Aufrauhung bei unterschiedlichen Dehnungen an einer einzelnen Probe zu
messen [144, 64].
Greenwood und Rowe [145] sowie Fogg [146] beschreiben, daß ein
Grundwerkstoff, der sich im plastischen Fließen befindet, die Spitzen
der Rauheit nicht so gut unterstützen kann wie ein rein elastisch
nachgebender. Eine Topografie auf einem plastisch fließenden Grundwerkstoff
glättet demzufolge stärker ein, als eine Topografie auf einem
ungedehnten Blech.
Wanheim und Bay [99, 136, 147, 148] nutzen die Gleitlinienmethode und
Experimente, um diesen Effekt näher zu untersuchen. Nebeneinanderliegende
und ineinander übergehende Spitzen beeinflussen sich bei der Einglättung
gegenseitig. Die Spitzen der Topografie werden eingeglättet und die
Täler angehoben. Die Flankenwinkel der Topografie ändern sich
dabei kaum. Mit zunehmendem Reibweg glättet die Topografie stärker
ein, was mit dem Herausquetschen des Schmierstoffs aus den von Wiegand
und Kloos [108] beschriebenen abgeschlossenen Schmiertaschen erklärt
wird. Die Viskosität des Schmierstoffs beeinflußt die Schmierstoffmengen,
die beim ersten Kontakt zwischen Werkzeug und Werkstück eingeschlossen
und während des Gleitens in der Wirkfuge gehalten werden.
Für geringe Kontaktnormalspannungen stellt Bay nur geringe Einglättungen
fest und schließt daraus, daß der Schmierstoff unter den in
der Blechumformung üblichen Bedingungen ungehindert aus der Kontaktzone
entweichen kann und die wahre Kontaktfläche nicht beeinflußt.
Bei rauhen Werkzeugen beschreibt Avitzur zusätzlich zu dem Mechanismus
des Pflügens (Furchens) der Werkstückoberfläche das sogenannte
wave model [149]. Vor einer Spitze der Werkzeugrauheit kann Werkstückmaterial
wie zu einer Bugwelle angehäuft und verschoben werden. Bei zu steilen
Winkeln der Werkzeugrauheit werden die Blechspitzen abgeschert.
Kawai, Kondo, Nakamura [150] verwenden ein Lichtmikroskop, um die Größe
der wahren Kontaktfläche zu beurteilen. Bei Proben an Näpfen
stellen sie eine 2,5 bis 3 mal höhere Einglättung fest als bei
Streifenziehversuchen und führen das auf die höhere Plastifizierung
des Grundwerkstoffes bei den Näpfen zurück.
Sengupta, Fogg und Ghosh [109] bestätigen den Einfluß der
Zugspannungen im Grundwerkstoff auf die Einglättung beim Ziehen eines
Napfes. Für den Bereich des Stempelbodens weisen sie nach, daß
die Topografie bereits bei niedrigen Flächenpressungen weit einglätten
kann, wenn kein tragfähiger Schmierfilm vorhanden ist. Versuche mit
Ziehfolien und hohen Gleitgeschwindigkeiten zeigen bei gut tragendem Schmierfilm
unter sonst gleichen Bedingungen eine Aufrauhung des Bleches. In Streifenziehversuchen
mit überlagerter Zugspannung stellen sie einen sprunghaften Anstieg
der Kontaktfläche und der Reibungszahl fest, sobald das Blech plastisch
gedehnt wird und infolgedessen stärker einglättet. Wie deutlich
dieser Sprung ausgeprägt ist, hängt von der Gleitgeschwindigkeit
ab. Mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit wird der Sprung der Reibungszahl
geringer. Sengupta, Fogg und Ghosh erweitern die junction growth equation
von Bowden und Tabor um den Einfluß des Spannungszustandes in Blechebene.
Ihre Härtemessungen zeigen, daß die Kaltverfestigung des Grundwerkstoffs
unter freier Dehnung kaum auf die oberflächennahen Bereiche übertragen
wird. Erst bei zusätzlichem Werkzeugkontakt oder vorhandenem Schmierstoffdruck
verfestigen auch die Körner an der Oberfläche.
Mössle [151] hat die freie und die gebundene Umformung beim Ziehen
von Näpfen aus Aluminium untersucht. Den größten Einfluß
auf die entstehende Oberfläche realer Ziehteile sieht er in der freien
Umformung und der Aufrauhung der Oberfläche. Höhere Viskosität
des Schmierstoffs führt zu einem dickeren Schmierfilm und damit zu
einer größeren Aufrauhung. Ohne einen tragenden Schmierfilm
glättet Aluminium, wie die Untersuchungen von Emmens zeigen, wesentlich
stärker ein als Stahl [134].
Zusätzlich zu den Effekten der Aufrauhung und Einglättung
beschreiben Keller und Reissner [32], daß in Matrizenrundungen Druckspannungen
an der Innenfaser das Leervolumen der Topografie verringern können.
Dadurch wird Schmierstoff in die Wirkfuge gedrückt und senkt die Reibung.
Schedin führt FE-Simulationen der Einglättung einzelner Rauheitsspitzen
an 2D-Modellen durch [152]. Auch seine Ergebnisse zeigen, daß unter
den Bedingungen der Blechumformung die Dehnung des Grundwerkstoffs einen
deutlich größeren Einfluß auf die Einglättung hat
als die Kaltverfestigung und die Reibschubspannung. Die größten
Unsicherheiten bei der Berechnung der Oberflächenwandlung sieht er
in der fehlenden Möglichkeit, die Aufrauhung zu simulieren.
Um den zweiachsialen Spannungszustand in Blechebene zu berücksichtigen,
nutzen Prier und Bünten für ihre FE-Simulationen 3D-Modelle [153,
183]. Bünten simuliert das Übertragen der Struktur der Dressierwalze
auf das Blech, und Prier verwendet diese Geometrien sowie die Daten der
lokalen Kaltverfestigung für die Berechnung der Einglättung während
der umformenden Weiterverarbeitung.
Die Ergebnisse zeigen, daß unter dem im Flansch eines Tiefziehteils
üblichen Zug-Druck-Spannungszustand die Topografie weniger einglättet
als unter ein- oder zweiachsigem Zug. Der Schwerpunkt der Untersuchungen
von Prier liegt auf der Optimierung der Geometrie einzelner Schmierstoffkrater.
Er beurteilt Topografien als günstig, die bereits bei geringer Last
zu einem linear mit der Kontaktnormalspannung ansteigenden verdrängten
Leervolumen führen. Dazu sollte die Berandung der Schmierstoffkrater
über die Blechgrundfläche herausragen und im oberen Teil einen
möglichst großen Steigungswinkel besitzen.
Sutcliffe berechnet die Einglättung von Oberflächen mit lang-
und kurzwelligen Anteilen [154, 155]. Die langwelligen Anteile glätten
unter Kontaktnormalspannung und gleichzeitiger Dehnung des Grundwerkstoffs
deutlich stärker ein als die kurzwelligen. Er schließt daraus,
daß die längerwelligen Anteile während der Umformung eingeglättet
werden und die kurzwelligen Anteile das tribologische Verhalten bestimmen.
Folgerungen
Ohne Werkzeugkontakt oder mit einem wirksamen Schmierfilm rauht die
Topografie infolge freier Dehnung auf, während bereits geringe Kontaktkräfte
zwischen Werkzeug und Blech zu einer deutlichen Einglättung führen
können. Berechnungen mit der Gleitlinienmethode oder Finiten Elementen
liefern Erkenntnisse über die Einflüsse von Spannungs- und Dehnungszuständen,
die meßtechnisch nicht zugänglich sind und ermöglichen
ein verbessertes Verständnis der Oberflächenwandlung.
Die Ergebnisse lassen folgende Schlüsse zu: